Immer mehr Österreicher*innen geraten in eine finanzielle Schieflage.
In den letzten Wochen wurden zwei Studien veröffentlicht, die sich mit der finanziellen Situation der Menschen in Österreich beschäftigen und ein eindeutiges Signal für rasche und wirkungsvolle Maßnahmen senden:
Der Schuldenreport 2022 der österreichischen Schuldnerberatung zeichnet auch dieses Jahr wieder ein sehr beunruhigendes Bild. Der persönliche Umgang mit Geld ist zum wiederholten Male zweithäufigster Grund für Überschuldung. Das bedeutet: Die individuellen Konsum- und Investitionsentscheidungen von Menschen – und nicht etwa externe, wenig beeinflussbare Faktoren – führen Menschen in die Schuldenfalle und ultimativ in die Privatinsolvenz. Ebenfalls eine konstante Statistik im Rahmen des Schuldenreports bezieht sich auf die jüngere Bevölkerung: Auch weiterhin ist jede*r vierte Klient*in der Schuldnerberatung unter 30 Jahre alt und im Schnitt mit € 30.000 überschuldet.
Und auch die jährliche Erhebung zu den Lebensbedingungen der Privathaushalte in der Europäischen Union, EU-SILC 2021, kommt zu einem alarmierenden Ergebnis: 1.519.000 Menschen (17%) in Österreich sind armuts- oder ausgrenzungsgefährdet.
Zusätzlich verschärft die aktuelle Teuerungswelle (Inflation durch unterbrochene Lieferketten, unsichere Energieversorgung etc.) die Situation ungemein. Immer mehr Menschen kommen in eine sehr belastende finanzielle Lage, in der sie Lebenshaltungskosten nur noch von Monat zu Monat bestreiten bzw. ihren finanziellen Verpflichtungen gar nicht mehr nachkommen können.
Diejenigen, die in dieser herausfordernden Zeit dennoch etwas zur Seite legen konnten und können, stehen vor einem anderen Problem: Auf den Sparbüchern schmilzt ihr Vermögen spürbar. Der Realzins, also Zinsen minus Inflation, ist so tief im Minus wie lange nicht mehr. Das Ersparte verliert also drastisch an Wert.
Laut Prognosen wird diese Situation mehrere Monate andauern. Und auch wenn die Europäische Zentralbank eine schrittweise Anpassung der Geldpolitik ankündigt, brauchen Maßnahmen Zeit, um zu wirken. Eine Entspannung ist also frühestens in ein bis zwei Jahren absehbar.
Was tun? Welche Maßnahmen helfen jetzt wirklich?
Menschen, die akut armutsbetroffen sind, brauchen in erster Linie mittelfristige, strukturelle Hilfen, wie u.a. eine zeitlich befristete Erhöhung des Arbeitslosengeldes, Maßnahmen für eine bessere Arbeitsmarkt-Reintegration oder finanzielle Sozialleistungen, die über der Armutsgefährdungsschwelle liegen müssen. Eimalzahlungen nach dem Gießkannenprinzip sind in diesem Zusammenhang keine wirkungsvolle Lösung – sie verdunsten wie ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Für alle anderen Bevölkerungsschichten ist es vor allem Finanzkompetenz, die einen der größten Hebel für Armutsprävention und die Verhinderung von Überschuldung darstellt. Hier geht es u.a. darum zu wissen, wie man Kosten reduziert, Ausgaben reflektiert und den Überblick über die eigenen Ressourcen behält. Angesichts der hohen Inflation gehören auch die notwendigen Fertigkeiten, um langfristig und sinnvoll am Kapitalmarkt zu partizipieren, zu den Grundlagen. Das macht Finanzkompetenz zu einer Lebenskompetenz, die es den Menschen ermöglicht, diese herausfordernde Situation resilient zu navigieren.
Ein Kommentar von Goran Maric, CEO Three Coins