THINK FORWARD SUMMIT: Rote Kleider bringen mehr Trinkgeld

9. März 2016

– oder warum die digitale Welt sich analog anfühlen sollte, damit wir weniger ausgeben

 

von Alexandra Wolk

Letzte Woche fand in Brüssel der Think Forward Summit statt. Die Think Forward Initiative wurde von ING, Microsoft, EMC und dem Institute for New Economic Thinking ins Leben gerufen um ein besseres Verständnis vom Verhalten hinter Finanzentscheidungen zu bekommen und Erkenntnisse daraus zu nutzen um Menschen dabei zu unterstützen in Zukunft Entscheidungen zu treffen, die besser für sie und ultimativ auch für die Gesellschaft sind.

Ich durfte Three Coins auf der Konferenz vertreten. Wir wurden nominiert, unsere Erfahrung vor Ort und darüber hinaus in Arbeitskreisen einzubringen und gemeinsam mit internationalen Vertreter_innen aus der Wissenschaft wie der Praxis das Thema Finanzkompetenz weiter voran zu treiben.

 

Adele Atkinson (OECD), Alexandra Wolk und Leonore Riitsalu (Universität Tartu)

Die Themen waren mannigfaltig, die Sprecher_innen großartig, die Diskussionen heiß und die Herausforderungen groß. Ich möchte hier aus der Vielfalt drei Themen herausgreifen, die ich spannend und zum Nachdenken anregend fand:

 

Wir handeln nun mal irrational ODER: Der Mensch ist kein Homo oeconomicus

Die meisten Menschen glauben, dass sie ihre Entscheidungen rational und vernünftig treffen, aber eine Studie nach der anderen zeigt, dass unsere Entscheidungen durch viele Faktoren beeinflusst werden. Oft treffen wir unsere Entscheidungen emotional oder sie werden durch physische Zustände beeinflusst – und das ist nicht immer gut für uns. Ein Beispiel: nach einer Woche von unter vier Stunden Schlaf pro Nacht fällen wir Entscheidungen wie es Betrunkene tun würden. Ein anderes: Kellner_innen, die die Farbe Rot tragen, erhalten im Durchschnitt 15-26% mehr Trinkgeld als andere. Für die Kellner_innen und ihre Finanzen ist dies natürlich gut, für die Kund_innen vielleicht weniger. Es ist also wichtig sich dieser Faktoren bewusst zu sein und seine Emotionen wahr zu nehmen, dann trifft man die besten Entscheidungen.

Inspiriert durch Noreena Hertz, Wissenschaftlerin, Ökonomin, Autorin – University College London

 

Noreena Hertz (University College London), Annamaria Lusardi (George Washington University School of Business und Monica Woodley (The Economist).

Der Unterschied zwischen dem heutigen und dem zukünftigen Ich

Dan Goldstein, Forschungsleiter bei Microsoft Research in New York, legte dar, dass Finanzverhalten durch zwei Ansätze gesteuert werden kann: entweder durch eine Veränderung der Außenwelt oder eine Veränderung der eigenen Meinung.

Veränderungen der Umwelt sind beispielsweise geänderte Gesetzte oder Vorgaben (wie verpflichtende Pensionsvorsorge) oder Veränderungen im Angebot (wie sukzessiv steigende Altersvorsorge mit steigendem Gehalt).

Veränderungen im Finanzverhalten sind möglich, wenn man die Individuen darin bestärkt, ihre Zukunft zu visualisieren. Dies wurde mit einfachen Animationen bewiesen, indem das Foto einer Person verändert wurde um sie im Rentenalter zu zeigen. Studienteilnehmer, die ihr „altes Ich“ sahen, waren viel motivierter, im jetzt auf Geld zu verzichten um für die Zukunft vorzusorgen.

 

Die Welt verändert sich unentwegt – und unsere Bankprodukte?

Die Diskussionen rund um technologische Trends und wie sie finanziellen Entscheidungen beeinflussen brachte hervor, dass ein es eine große Übereinstimmung bei den Teilnehmer_innen dahingehend gab, dass die Welt sich rasend schnell verändert, die Bankprodukte dieser Veränderung allerdings hinterher hinken. Es bräuchte mehr Innovationen in dem Bereich, die Dynamiken des sofortigen Feedbacks integrieren und vorausschauend dabei unterstützen, „bessere“ Entscheidungen zu treffen. Funktionalitäten wie „Likes“, Präferenzen oder Empfehlungen, welche den Kund_innen die Produkte anbieten, die zu ihnen passen, waren nur einige Ideen. Ein Bedürfnis wurde sehr deutlich, nämlich jenes nach Lösungen, mit welchen sich digitale Zahlungen so anfühlen wie jene mit Bargeld, damit man mitbekommt, dass einem das Geld „durch die Finger fließt.“

 

Bild 3

Teilnehmende am Think Forward Summit in Brüssel

Was habe ich mir also aus dem Tag mitgenommen? Die Themen finanzielle Bildung und Finanzkompetenz sind doch vielschichtiger als man denkt und von der Erkenntnis des eigenen Handelns, über in die Zukunft-sehen und Ziele setzen bis hin zu systemischen Änderungen des Regelwerks und des Angebots gibt es viele Möglichkeiten tätig zu werden. Wir packen dann mal an!